Akteure und Konzepte des antifaschistischen Widerstandes in Deutschland 1933 – 1945
Vortrag und Diskussion mit Prof. Dr. Joachim Hösler (Uni Marburg)
10. September 2021, 18 Uhr, Hörsaal im Fachbereich Sozialökonomie der Uni Hamburg (ehemalige HWP), Von-Melle-Park 9, 20146 Hamburg
„Und was will die Volksfront? Ganz einfach: sie will für das Volk, nicht gegen das Volk regieren, sie will dem Volk geben, was ihm zukommt, sie will den Frieden und die Freundschaft mit allen Völkern. Sie will, dass jeder wieder etwas zu sagen hat und mitreden und mitbestimmen darf. Der Arbeiter soll was zu sagen haben, wie es mit dem Lohn und der Arbeitszeit ist, der Bauer, wie es mit der Landwirtschaft steht, der Kaufmann und der Handwerker, der Beamte und der Soldat, alle sollen das Recht haben, zu sagen was sie denken und wollen. Das ist es, was man demokratische Rechte nennt. Ein solcher demokratischer Staat, eine solche Volksfrontrepublik, in der das Volk zu Wort und zu seinem Recht kommt, das ist das Ziel, das wir uns setzen müssen. […] Solch ein Staat wird reich sein, weil er vom Volke regiert wird und das Volk reich macht, weil er für die Bedürfnisse des Volkes, nicht für den Profit der grossen Fabrikanten und Bankiers arbeitet. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein – aber so schön es ist, es kann wahr werden und es wird wahr werden, wenn sich jeder auf seine Kraft besinnt, wenn er sich sagt: jawohl, ich will auch mitzubestimmen haben, wenn er sich einreiht in die Volksfront, die für eine schöne und bessere Zukunft – für ein freies, friedliches, glückliches Deutschland kämpft. Was kommt nach Hitler? Wir – wir alle! Die Zukunft wird unser sein!“
Ausschuß der Freunde einer deutschen Volksfront in Großbritannien, Frühjahr 1939; der Aufruf wurde in tausenden Exemplaren mit Briefen an Empfänger im deutschen Reichsgebiet gesandt
Mit weitreichenden Ambitionen für ein ziviles, demokratisches und soziales globales Zusammenleben realisierte eine weltumspannende antifaschistische Allianz gegen die faschistische Barbarei Humanität. Die Wehrmacht wurde so zur bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 gezwungen. Dieser Tag der Befreiung von deutschem Faschismus und Weltkrieg muss deswegen auch in der BRD endlich ein Feiertag werden!
Für die heutige Verwirklichung „einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit“ (Schwur der ehem. KZ-Häftlinge von Buchenwald, 1945) ist es von immenser Bedeutung, dass es entgegen der staatsoffiziellen Behauptung der „Kollektivschuld“ zwischen 1933 und 1945 in Deutschland eine antifaschistische Widerstandsbewegung gab. Denn sie zeigt uns: selbst die brutalste Form eines Systems von Ausbeutung, Konkurrenz, Krieg und Genozid – der Faschismus – ist weder Naturgesetz noch allmächtig: Widerstand ist immer eine notwendige Möglichkeit.
Wie aber sah der antifaschistische Widerstand im faschistischen Deutschland aus? Aufklärung mit Flugblättern und Zeitungen, Sabotage und Langsamarbeiten, Verstecken und Unterstützen von Verfolgten und Zwangsarbeiter*innen, Attentate auf Hitler (u.a. durch Georg Elser 1939), Widerstandsarbeit in den KZs bis hin zur Selbstbefreiung der KZ-Häftlinge in Buchenwald, Deserteure, klandestines Swing-Tanzen und Rezipieren humanistischer Kultur, Emigrant*innen wie Thomas Mann mit seinen Radioansprachen „An die deutschen Hörer“, etc.
Der Widerstand in Deutschland wurde getragen von der kommunistischen, sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Arbeiter*innenbewegung in Verbindung mit bürgerlich-humanistischen Kräften, antifaschistischen Christ*innen und den von den Nazis als jüdisch, homosexuell, asozial, Sinti und Roma etc. Verfolgten, sowie zahlreichen (internationalen) Zwangsarbeiter*innen. Sie haben aus der Befürwortung des Lebens ihre Kraft geschöpft, aus der Gewissheit, dass sie diesen Kampf gemeinsam mit Menschen aus der ganzen Welt führen und dass Freiheit, Gleichheit und Solidarität siegen werden über Menschenfeindlichkeit, Gehorsam und Opportunismus.
Aus ihrem Kampf zu lernen und ihr Anliegen in gesellschaftliche Tat umzusetzen, ist heute unser Auftrag. Er beginnt dabei, ihr Wirken gegen allerlei Lügen vom „Schlussstrich“ oder „Vogelschiss“ in die tätige Erinnerung zu rufen.
Dies wollen wir anlässlich des „Tags der Opfer des Faschismus“ diskutieren, der von Überlebenden direkt nach der Befreiung zum Erinnern, Mahnen und Diskutieren aller Strömungen des Widerstands und der Verfolgten 1945 ins Leben gerufen wurde – in dieser Weise das erste Begehen eines Tages der Befreiung in Deutschland.
Für Vortrag und Diskussion haben wir Prof. Dr. Joachim Hösler eingeladen. Er wird die Akteur*innen des antifaschistischen Widerstandes lebendig machen hinsichtlich ihrer Aktivität und Konzepte. Weiter geht es um Gründe des Scheiterns der Einheitsfront der Arbeiterbewegung 1933 sowie die spätere Kooperation aller Widerstandskräfte: welche inhaltliche Stoßrichtung und neue Qualität bildete sich in dem Zusammenschluss unter und gegen widrigste Bedingungen faschistischen Terrors? Was waren die Nachkriegskonzepte im Widerstreit zwischen Befreiung und faschistischen Kontinuitäten? Welche geschichtspolitische Bedeutung hat das Thematisieren und Bearbeiten der (sozialökonomischen) Ursachen des Faschismus und der antifaschistischen Widerstandsbewegung heute?
Aus der Diskussion dieser Fragen wollen wir Schlussfolgerungen für heute ziehen und diskutieren, warum und wie wir den 8. Mai hamburg- und bundesweit zum offiziellen und gelebten Feiertag machen.
Dr. Joachim Hösler ist Politikwissenschaftler und Historiker, der außerplanmäßiger Professor für Neuere und Osteuropäische Geschichte an der Universität Marburg ist und vor allem zur Geschichte und zum politischen System der Sowjetunion (u.a. zur Geschichtswissenschaft) und Russlands im 20. Jahrhundert arbeitet. Er ist Mitglied des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und hat u.a. bei Reinhard Kühnl studiert.
Eine Veranstaltung des Hamburger Ratschlags für den 8. Mai als Feiertag: www.8mai-hamburg.de