Vor den Weihnachtsferien wurden viele Präsenz-Lehrveranstaltungen auf digitale Angebote umgestellt, obwohl diese laut Eindämmungsverordnung der Stadt Hamburg weiterhin in den Räumen der Universität stattfinden könnten. Die Dienstanweisung der Universität Hamburg vom 29.11.2021 erläutert, dass Präsenzlehre ohne praktische Anteile nun unter 2G-Bedingungen durchgeführt werden muss. In unseren Augen und in den Augen vieler weiterer Universitätsmitglieder ist dies eine nicht nachvollziehbare und unzulässige Einschränkung von sinnvoller Wissenschaft und Lehre an der Uni Hamburg, zumal die Lehre an der TUHH und an der HAW weiterhin unter 3G-Bedingungen stattfindet. Universitäten sind keine Infektionsherde, erst recht nicht unter 3G, und es ist wenig aufklärerisch, die Schuld an der Entwicklung der Pandemie bei den Einzelnen zu suchen, anstatt die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik zu benennen. Anstatt der Vorgabe Lehrveranstaltungen unter 2G stattfinden zu lassen, wäre beispielsweise ein sinnvoller Beitrag der UHH eine aufsuchende Impfkampagne von der Universität für Studierende und für die gesamte Bevölkerung anzubieten.
Die Lehre ist ein zentraler Bestandteil der Aufgabe und der gesellschaftlichen Verantwortung einer Universität. Gute Lehrangebote sind nur in Präsenz möglich, da es dort zu erkenntnisbringenden Diskussionen zwischen Lehrenden und Studierenden kommt. Dies ist bei digitalen Angeboten nicht möglich. Es ist ein großer Unterschied, ob man probiert mit schwarzen Kacheln über Zoom bei schlechter Internetverbindung zu diskutieren oder mit realen Personen in realen Räumen (zur Illustration: FSR Sozialökonomie Zoom-Theater). Auch in der aktuellen Eindämmungsverordnung vom 24.12.21 heißt es daher weiterhin, dass die Lehre an den Hochschulen „überwiegend in Präsenz“ stattfindet.
Außerdem: Die Universität besteht nicht nur aus Lehrveranstaltungen und Prüfungen. Der soziale Kontakt, die ungeplante Begegnung, der Austausch in Lerngruppen, der Austausch unter Kommiliton:innen und Lehrenden aus verschiedenen Ländern, die Diskussion zwischen Lehrenden auf dem Flur – all das sind Begegnungen, die eine Universität erst zu einer Universität machen. Wie wichtig all das ist, sieht man auch daran, dass es unter den Auswirkungen der Digitalsemester und des (Uni-)Lockdowns einen starken Anstieg an psychischen Erkrankungen und an Studienzweifeln unter Studierenden (und sicher auch unter Lehrenden) gibt, was beispielsweise an den Zahlen der Inanspruchnahme von psychologischer Beratung an der Universität deutlich wird.
Kurz gesagt: Präsenzlehre und sozialer Kontakt halten jung! Wir sollten daher aufhören uns gegenseitig vorzumachen, dass schon alles in Ordnung sei und uns daran machen ein Höchstmaß an sinnvoller, bezugnehmender Lehre zu gestalten (siehe dazu auch das Plakat „Präsent bleiben an einer Offenen Hochschule! Eine Komödie in fünf Akten“, das wir zusammen mit anderen Aktiven gestaltet haben).
Wir fordern daher alle auf:
- Die Lehre muss soweit es geht auf Präsenz- bzw. Hybridlehre umgestellt werden. Mindestens die Lehrveranstaltungen, die das gesamte bisherige Wintersemester in Präsenz stattgefunden haben, sollten weiterhin in Präsenz- bzw. Hybridformaten angeboten werden. Sowohl die Lehrenden als auch die Studierenden hatten sich zu Beginn des Semesters für einen Präsenzkurs entschieden.
- Der Prüfungsdruck muss soweit wie möglich reduziert werden. Die Belastung, der Leistungsdruck und die Unsicherheiten sind allein schon dadurch viel größer, dass man alleine lernen soll. Die Vorstellung, Druck würde beim Lernen helfen muss in einer Studienreform neu angegangen werden. Akut für dieses Semester muss zumindest der Druck in den einzelnen Kursen und Prüfungen so niedrig wie möglich gehalten werden.
Die Stellungsnahme findet ihr hier auch als PDF-Datei.