Lektürekurs
Keynes stellte in der Great Depression 1929ff die KapitalistInnen vor die Wahl: Verlust an Autonomie und Rentabilität oder Untergang des Kapitalismus. Keynes wollte die Rate der Entlohnung für Kapitaleigentümer politisch festlegen, durch Niedrigzinspolitik den Rentiers einen „sanften Tod“ bereiten und eine Verstaatlichung der Investitionen erreichen. Das Privateigentum an Produktionsmitteln sollte explizit nicht angetastet werden. Ist Keynesianismus also nur eine progressiv-liberale Idee, die sich anschickt den Kapitalismus vor der kommunistischen Alternative zu bewahren? Herbert Schui und andere keynesianische MarxistInnen sahen dagegen den „Keynesianismus als Ausgangspunkt für die Überwindung des Kapitalismus“, weil dem ein radikaler humanistischer Impetus zu Gunde liegt, durch dessen Maßnahmen die Profitrate gesenkt, die Kapitalmacht empfindlich eingeschränkt wird und die disziplinierende Wirkung der Erwerbslosen-Reservearmee wegfällt. Kurz: ein konsequenter Keynesianismus muss den Widerstand des Kapitals hervorrufen, weil er die Verfügungs- und Eigentumsverhältnisse berührt. Joan Robinson, ein Schülerin Keynes, interpretiert ihn folglich im weitergehenden Sinne: „Wenn ein System privater Unternehmen mit potenziellem Überfluss nicht umgehen kann, dann müssen wir es in ein System umändern, das es kann“. In diesem Lektürekurs wollen wir dem spannungsreichen Miteinander marxistischer und keynesianischer Theorie und Praxis nachspüren.
Lektüre
Herbert Schui, „Sozialstaat: Die Lösung der Unterkonsumtion – Theoretische und politische Bedeutung eines umstrittenen Begriffs“; in Schui, Herbert: „Gerechtere Verteilung wagen! Mit Demokratie gegen Wirtschaftsliberalismus“, 2009
Hintergrund
Stephanie Blankenburg und Herbert Schui, „Keynesianismus“; Stichwortartikel im Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus, Argument Verlag
Samstag, den 25.11.2017, von 11:30 – 13:30 Uhr