Vortrag und Diskussion mit Werner Goldschmidt
Spätestens seit der Finanzkrise 2008 ff. befindet sich die neoliberale Hegemonie politisch und sozialökonomisch in einer massiven Krise. Von links drängen Bewegungen in Südeuropa, im angelsächsichen Raum rund um Bernie Sanders und Jeremy Corbyn und europaweit bspw. gegen sog. „Freihandelsabkommen“ auf eine Alternative. Von rechts wird eine „Rettung“ durch forcierte Spaltung und zugespitzte neoliberale Programmatik versucht. Vor diesem Hintergrund wird sich dieser Vortrag an einer Bestandsaufnahme versuchen.
Werner Goldschmidt hat zusammen mit Herbert Schui mehrere sozialökonomische Projekte an der HWP durchgeführt und dabei stets die gesamtgesellschaftliche, globale Dimension des Neoliberalismus in den Blick genommen. In Herbert Schuis Kritik des Neoliberalismus sieht er vor allem das Verdienst des Nachweises des dialektischen Zusammenhangs von radikalem Freiheitspathos und immanenten Autoritarismus sowie der Seelenverwandtschaft bzw. der faktischen Übereinstimmung von Neoliberalismus und ´sozialer Marktwirtschaft´.
In der Festschrift zu Herbert Schuis 60. Geburtstag stellten die AutorInnen die These vom Neoliberalismus als einer „Hegemonie ohne Perspektive“ auf. Heute, 17 Jahre später, teilt der Referent diese These noch immer, allerdings spricht aus seiner Sicht vieles dafür, dass die neoliberale Hegemonie in eine neue, autoritär-reaktionäre Phase eingetreten ist. Vor diesem Hintergrund soll in diesem Vortrag die soziale und sozial-psychologische Tiefenstruktur des Neoliberalismus erkundet werden.
Es geht also um das Problem der Mobilisierbarkeit gegen die neoliberale Herrschaft. Dazu muss offenbar mehr als bisher die eigentümliche Unterwürfigkeit der großen Mehrheit auch der arbeitenden Bevölkerung näher betrachtet werden. Es wird um die Untersuchung der ´neoliberalen Zurichtung der Subjekte´ gehen. Wie wird dieser ´Konsens´ hergestellt, welche Rolle spielen dabei die bewusste Mobilisierung rassistischer, sexistischer usw. Vorurteile? Und wie kann es gelingen, diese sozial-psychologische Konstellation aufzulösen und ggf. in eine emanzipatorische Konstellation soweit umzukehren, dass große Bevölkerungsteile, vor allem der unteren sozialen Schichten im Bündnis mit fortschrittlichen Teilen der Mittelschichten, Intellektuellen etc. bereit sind, einen wirklichen Bruch mit der Politik und dem ökonomisch-sozialen System des Neoliberalismus zu riskieren und dann auch in einem vermutlich zähen Kampf langfristig durchzustehen?
Dafür wird Werner Goldschmidt die neueren Arbeiten der US-Amerikanischen Soziologin Wendy Brown vorstellen und damit die Kritik des Neoliberalismus nicht als bloß ökonomisches, sondern politisch-sozial-ökonomisches Konzept weiterführen.
Werner Goldschmidt: Professor im Ruhestand für Soziologie an der Hochschule für Wirtschaft und Politik. Mitglied des Redaktionsbeirats der Zeitschrift „Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung“. Zahlreiche Stichwortartikel im Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus. Fellow am Berliner Institut für Kritische Theorie (InkriT e.V.).
Ausgewählte Publikationen: Mit-Herausgeber von „Freiheit, Gleichheit, Solidarität: Beiträge zur Dialektik der Demokratie“, 2008, Peter Lang.
„Varianten des ‚Postkapitalismus‘ – Ein unvollständiger Literaturbericht“, Neue Impulse Verlag, 2017.
Langjähriger Kollege von Herbert Schui.
Samstag, den 25.11.2017, von 10:00 – 11:00 Uhr